Diese Konflikte drohen um die Nebenkosten
Diese Konflikte drohen um die Nebenkosten
Bis Ende Dezember muss die Betriebskostenabrechnung im Briefkasten liegen. Diesmal ist das Konfliktpotenzial besonders groß. Doch Vermieter und Mieter können es miniemieren.
Heizkosten, Müllabfuhr, Treppenhausreinigung – das sind lediglich drei von mehr als einem Dutzend Betriebskostenarten, die ein Vermieter auf seine Mieter umlegen darf. Das allein macht die jährliche Abrechnung zu einer komplexen Angelegenheit.
In diesem Jahr ist das Konfliktpotenzial besonders groß: Erwartbare Nachforderungen aufgrund immens gestiegener Energiepreise werden viele Mieter veranlassen, ihre Betriebskostenabrechnung genauer als in den vergangenen Jahren zu überprüfen. Wir geben einen Überblick über die heikelsten Fragen bei der Nebenkostenaufstellung und beschreiben rechtssichere Verfahren bei Abrechnung, Zustellung und Prüfung.
Entscheidende Vertragsklausel
Laufende Betriebskosten kann ein Hauseigentümer auf seine Mieter umlegen. So weit, so richtig. Doch lohnt ein Blick ins Gesetz – in diesem Fall ins Bürgerliche Gesetzbuch (BGB). Dort heißt es in Paragraf 556: „Die Vertragsparteien können vereinbaren, dass der Mieter Betriebskosten trägt.“ Mit anderen Worten: Zahlen muss ein Mieter nur, wenn dies im Mietvertrag ausdrücklich festgeschrieben ist. In Standardverträgen ist ein entsprechender Passus in aller Regel eingearbeitet.
Soll der Mieter Vorauszahlungen leisten, müssen sie in „angemessener Höhe“ im Vertrag vereinbart sein, heißt es im Gesetz. In diesem Fall ist der Vermieter verpflichtet, die Betriebskosten jährlich abzurechnen – und zwar spätestens zwölf Monate nach Ende des Abrechnungszeitraums. „Nur einmal jährlich, nämlich nach Abrechnung der Betriebskosten, können die Vorauszahlungen nach oben oder unten angepasst werden, je nachdem, ob der Mieter zu wenig oder zu viel gezahlt hat“, weiß Sylvia Pruß, Inhaberin der gleichnamigen Hausverwaltung in Strausberg bei Berlin und Vizepräsidentin des Immobilienverwalterverbands VDIV.
Strenge Fristen
Konkret heißt das: Ist eine kalenderjährliche Abrechnung vereinbart, muss dem Mieter die Betriebskostenaufstellung für das Jahr 2022 spätestens am 31.12.2023 vorliegen. „Normalerweise wird pro Kalenderjahr abgerechnet“, sagt Pruß. Eher selten werde ein anderer Zwölfmonatszeitraum gewählt, etwa von Juli bis Juni. Doch Achtung: „Vermieter sollten auf keinen Fall erst nach 13 Monaten abrechnen und nur in absoluten Ausnahmefällen schon früher als nach einem Jahr“, sagt Pruß. Schrumpfabrechnungen seien möglich, wenn die Abrechnungsperiode umgestellt werden solle – etwa vom bisherigen Zeitraum Juli bis Juni auf Januar bis Dezember.
Harte Konsequenzen
Die Einjahresfrist sei unbedingt einzuhalten, betont auch Inka Marie Storm, Chefjustiziarin des Eigentümerverbands Haus & Grund. Denn: „Wird dem Mieter die Abrechnung nicht rechtzeitig zugestellt, kann der Vermieter Nachzahlungen – etwa für Heizkosten – nicht mehr geltend machen.“ Guthaben aus einer verspäteten Abrechnung „sind jedoch selbstverständlich an den Mieter auszuzahlen“, ergänzt Hausverwalterin Pruß.
Entscheidend sei der Tag der Zustellung, so Pruß. Den Nachweis habe der Vermieter zu erbringen. Die Zustellung per Bote sei rechtssicher, ebenso das Einwurfeinschreiben oder der Gerichtsvollzieher.
Bleibt der Vermieter die Abrechnung trotz allem schuldig, kann der Mieter alle künftigen Vorauszahlungen einbehalten – und zwar so lange, bis er die gewünschte Abrechnung erhält. „Dieses Geld sollten Mieter aber auf jeden Fall zur Seite legen“, rät Haus-&-Grund-Chefjustiziarin Storm. „Sobald die fehlende Abrechnung vorliegt, müssen die Vorauszahlungen komplett nachgezahlt werden.“
Rechtssichere Kostenumlage
Private Eigentümer – sie stellen laut Daten des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) mit einem Anteil von 60 Prozent die größte Vermietergruppe in Deutschland – unterliegen gern einem klassischen Fehler, vor allem, wenn sie ihre Eigentumswohnung vermieten: „Sie können ihre eigene Nebenkostenabrechnung nicht einfach an die Mieter weitergeben“, sagt Storm.
Denn die Nebenkosten eines Eigentümers sind nicht dasselbe wie die Betriebskosten, die auf den Mieter umgelegt werden können, erläutert Jörg Hänsel, Jurist beim Mieterverein Köln. Zwar würden beide Begriffe zumeist synonym verwendet, doch bezeichnen Nebenkosten alle Ausgaben, die bei einem Immobilieneigentümer anfallen. Einen Großteil darf er umlegen – aber eben nicht alles. Was er weiterreichen darf und was nicht, legt die Betriebskostenverordnung (BetrKV) fest.
Umlagefähig sind 16 genau bezeichnete Kostenarten – dazu zählen neben Heiz- und Warmwasserkosten auch Ausgaben für Müllabfuhr, Grundsteuer, Versicherungen oder Hausmeistertätigkeiten. Hinzu kommen unter Punkt 17 „sonstige Betriebskosten“: „Sie müssen im Mietvertrag ausdrücklich genannt und selbstverständlich grundsätzlich umlagefähig sein“, sagt Hänsel.
Die Vergütung für den Haus- oder Wohnungsverwalter sowie die Kosten für Instandhaltung und Instandsetzung von Wohnung und Gebäude etwa gehören nicht dazu. Sie sind und bleiben allein Sache des Vermieters.
Konfliktfall Heizkosten
Mieter sehen erst mit der Betriebskostenabrechnung für 2022, was genau die hohen Energiepreissteigerungen für sie bedeuten. Daher prüfen sie die Abrechnung in diesem Jahr besonders gründlich, heißt es unisono von Verwaltern wie Mieterverbänden.
Vor allem werden sie sich überzeugen, dass die diversen staatlichen Energiehilfen auch bei ihnen ankommen. Das gilt in erster Linie für die Soforthilfe aus dem Dezember 2022: Eine monatliche Zahlung für Gas oder Fernwärme wurde allen (Eigentümer-)Haushalten in Deutschland im Dezember 2022 erlassen. Die meisten Mieterinnen und Mieter profitieren davon erst mit der Nebenkostenabrechnung für 2022. Denn Vermieter müssen in der Abrechnung den tatsächlichen Entlastungsbetrag dem jeweiligen Mieter gutschreiben – und dies in der Betriebskostenabrechnung ausdrücklich angeben. „Wer misstrauisch ist, ob der korrekte Betrag angesetzt wurde, kann sich die Abrechnung der Brennstoffkosten zeigen lassen“, rät Jurist Hänsel.
Unproblematisch ist die Weitergabe der für 2023 geltenden Wärmepreisbremse: Sie wurde von den Energieversorgern in den maßgeblichen Abschlagszahlungen automatisch angesetzt.
Kürzungsrecht für Mieter
Womöglich zum ersten Mal wird dem ein oder anderen Mieter ein anderer, weitverbreiteter Fehler in der Heizkostenabrechnung auffallen. Die maßgebliche Heizkostenverordnung – präzise die „Verordnung über die verbrauchsabhängige Abrechnung der Heiz- und Warmwasserkosten“ (HeizkostenV) – legt nämlich genau fest, wie der Löwenanteil an den Betriebskosten gerecht und transparent auf alle Mieter zu verteilen ist. Der genaue Verteilerschlüssel muss im Mietvertrag genannt sein.
Dabei gilt: Maximal 50 Prozent – bei ungedämmten älteren Gebäuden nur 30 Prozent – der Gesamtheizkosten dürfen nach Wohnungsgröße (in Quadratmetern) auf die Mieter verteilt werden. Entsprechend müssen 50 bis 70 Prozent gemäß dem ermittelten Verbrauch abgerechnet werden.
Heizkostenverteiler an den Heizkörpern und Warmwasserzähler sind entsprechend vorgeschrieben. Machen Vermieter hierbei Fehler, dürfen Mieter Heiz- und Warmwasserkosten um 15 Prozent kürzen.
„Lange Zeit war streitig, ob das Kürzungsrecht auch dann gilt, wenn bei einer zentralen Heizungsanlage ein Wärmemengenzähler fehlt“, sagt Hänsel. Der ist eigentlich seit 2014 vorgeschrieben, damit die Kosten für Raumheizung und Warmwasserbereitung separat voneinander berechnet und umgelegt werden können. Ist die Anlage älter und wäre eine Nachrüstung unwirtschaftlich, können die Warmwasserkosten mithilfe einer speziellen Formel errechnet werden. Erst am 12. Januar 2022 urteilte nun der Bundesgerichtshof (BGH): Auch in diesem Fall haben Mieter das Recht, ihre gesamten Heizkosten um 15 Prozent zu kürzen (Az: VIII ZR 151/20).
„Bei professionellen Großvermietern kann man sein Kürzungsrecht ohne Probleme in Anspruch nehmen“, sagt Jurist Hänsel. Bei einem privaten Vermieter, der vielleicht sogar mit im Haus wohne, stellten sich viele Mieter hingegen zu Recht die Frage, ob sich ein Konflikt am Ende lohne.
Umgekehrt seien aktuell gerade auch Vermieter an gemeinsamen Lösungen interessiert. Sind die Betriebskostennachforderungen sehr hoch, bieten viele Eigentümer ihren Mietern von sich aus Ratenzahlung an.
Quelle: Handelsblatt.